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„Epochal“ nennen manche das, was sich derzeit in Bayern abspielt: Eine Monarchie wurde gestürzt, zwei Möchtegern-Regenten schwer abgewatscht und nun soll Horst Seehofer zu alter Stärke zurückführen. Wie damals ein Franz Josef Strauß kommt auch diesmal der Heilsbringer nicht aus den eigenen Reihen, stand buchstäblich auf keinem Wahlzettel, sondern ist ein plötzlich heiß begehrter Exportschlager aus der Berliner Bundespolitik. Natürlich hätte man eine solche Personalia schon früher und extrem billiger haben können unmittelbar nach dem Sturz Edmund Stoibers in Kreuth. Seehofer war zwar damals schon bereit, wohl aber noch nicht salonfähig genug: ein bayerischer Ministerpräsident mit (Ex-)Geliebter und unehelicher Tochter in Berlin an der Spitze traditioneller bayrisch-katholischer Veranstaltungen wie einer Fronleichnamsprozession in München, das war dann der Partei doch zu krass. Nun aber nach dem Wahldesaster vom 28. September ist plötzlich alles möglich. Epochal jedoch wird das Ganze erst dann sein, wenn diese Partei endlich begreift, dass sich eine verantwortliche Politik für unser Land nicht einfach aus sich selbst heraus legitimiert, sondern wie am Wahltag erlebt, immer erst vom Wähler bestätigt werden muss. Allein daran werden wir einen Horst Seehofer messen. Seine Liebschaften interessieren uns weniger.