Sonntagsgedanken


09.05.2024 - Christi Himmelfahrt

Vor 63 Jahren, am 12. April 1961, umrundete der erste Mensch mit einem Raumflug die Erde. Alle Zuhörer mit Ostbiografie wissen genau, wie er hieß: JURI GAGARIN. Die Raumfahrt und alle damit verbundenen Erfolge unter sowjetischer Führung spielten nämlich eine wesentliche Rolle in der sozialistischen Schulbildung. Juri Gagarin war bei dieser Erdumrundung gerade mal 27 Jahre alt und junger Vater zweier Mädchen, die jüngste Tochter gerade erst 4 Wochen alt. Sein erster Funkspruch aus der Schwerelosigkeit handelte nicht vom Ziel, sondern dem Ausgangspunkt seiner Reise: »Ich sehe die Erde! Es ist bewundernswert! Was für eine Schönheit!« Nach seiner Landung hat er weiter geschwärmt: „Ich sah zum ersten Mal die Kugelgestalt der Erde; der Anblick des Horizonts war einzigartig.“ Er sprach dann von dem „zartblauen Film“, der den Globus umgibt; darüber nur der „pechschwarze Himmel“, mit den „klar sichtbaren Sternen“ und einer „Sonne, die dutzendmal heller scheint als auf der Erde.“

Irgendwann im Verlauf des Pressetermins hat ihn ein Journalist gefragt, ob er während seiner Raumfahrt Gott gesehen habe. Und er sagte: „NEIN.“ Diese Antwort wurde von einfallslosen Ideologen in den Schulen sozialistischer Bildung immer wieder dann zitiert, wenn sie sich darüber lustig machen wollten, dass es in Klassenverbänden tatsächlich Christen gab; Menschen, die an Gott glaubten und mit seiner Existenz rechneten. Jahrzehnte lang habe ich Juri Gagarin dieses NEIN übel genommen.

Irgendwann kam ich dahinter, dass aber die Frage des Journalisten – mit Verlaub – eigentlich ziemlich bescheuert war. Das kann doch nicht wirklich sein Ernst gewesen sein, jemanden so etwas zu fragen: „Haben Sie im Weltraum Gott gesehen?“ Man musste dazu echt nicht erst im 20. Jahrhundert angekommen sein, um zu wissen, dass Gagarin oder wer auch immer Gott im Weltraum nicht begegnen würde und dass das ehrlich gesagt auch noch nie jemand behauptet hat. Auch heute werde ich Ihnen nicht hinreichend erklären, wie sich die Himmelfahrt Christi abgespielt hat. Und ich wüsste auch nicht, wozu es helfen würde, wenn ich es auch nur versuchte.

Übrigens gibt es wunderbare Gemälde von Himmelfahrtsvorstellungen, bei denen nur noch die Füße aus den Wolken sehen, der Rest ist schon im Himmel. Für die einen sind solche Bilder ein fröhlicher Spaß, für die anderen sind sie Anlass zu Spott.

Ich glaube, dass es wenig bringt, sich mit der Himmelfahrt (was ich übrigens für ein phänomenales Wort halte) also, dass es wenig bringt, sich mit dem spektakulären Ereignis beschäftigen zu wollen, indem man sich das Ganze als real vorstellt, also dass ein Mensch in den Himmel fährt. Es gibt im Grunde viel größere Fragen, die dahinter liegen. Und die beschäftigen sich damit, wie wir damit leben, dass Gott so oft nicht anwesend ist, dass wir uns wünschten, er wäre da und würde dies und das für uns tun. Dabei müssen wir uns viel häufiger damit auseinandersetzen, dass er abwesend ist und fern, dass er jedenfalls anders nah ist, als wir erwarten oder brauchen. Wir müssen uns also sehr intensiv damit beschäftigen, wo wir Gott eigentlich suchen und was wir von ihm wollen und ob da nicht vielleicht meistens das Missverständnis liegt.

Also müssen wir uns damit auseinandersetzen und damit klarkommen, dass wir uns manchmal reichlich Gott-verlassen fühlen. Aber dass es der Auftrag ist und bleibt, ihn bezeugen zu sollen als den, der die Welt verändert hat und immer noch verändert.

Dann aber ist die Frage: Was willst du erzählen und was kannst du wirklich bezeugen? Und wie geht das überhaupt? Damit kommen wir zu den wirklich entscheidenden Sätzen dieser Lesung, die wir am Anfang gehört haben. Der erste heißt: „Wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr Kraft empfangen. Dann werdet ihr meine Zeugen sein. In Jerusalem, in Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde.“ Das sagt Jesus. Liebe Leute, das klingt voll rasant nach Pfingsten. Aber es steht vorher im Text, vor dem Pfingstereignis. Wir haben aber auch noch ein bisschen Zeit, genau genommen 10 Tage. Wir hören hier also die Ankündigung des Heiligen Geistes, die Kraft, die uns anfeuert, Zeugen zu sein. Und wir hören das heute, 10 Tage vor Pfingsten, weil das der Hinweis ist, dass wir uns drauf einstellen sollten, mit dem Heiligen Geist ist zu rechnen. Die Botschaft heißt: Es gibt ihn, ihr bekommt ihn. Also fallt nicht um vor Entsetzen. Sondern rechnet damit.

(Übrigens kommt der Heilige Geist ja nicht nur zu Pfingsten, auch wenn wir an diesem Datum besonders daran erinnern. Der Geist weht, wo er will und wann er will, mal so nebenbei erwähnt!)

Es könnte allerdings sein, dass der Heilige Geist weht und weht und weht … und wir haben vorsichtshalber so eine Art Windfang in uns aufgebaut, um auf keinen Fall sein Wehen bemerken zu müssen. „Weil wir ein bisschen Schiss haben“, dass es unangenehm und peinlich wird oder dass uns nicht die richtigen Worte einfallen. Also, ehrlich gesagt: Ich kann nur von mir reden, ich kenne genau das Gefühl: Lieber nichts sagen von Gott, weil es gerade mal wieder viel einfacher ist, sich von ihm zu distanzieren, als sich zu ihm zu bekennen.

„Wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr Kraft empfangen. Dann werdet ihr meine Zeugen sein, überall und bis ans Ende der Erde.“ Woran erkennt man diesen Geist? Er ist kein bisschen verzagt, sondern er hat drei hervorstechende Eigenschaften: Er ist voller Kraft, voller Liebe und voller Besonnenheit. Mit dem Heiligen Geist ist es wie mit einem dreibeinigen Hocker; er braucht alle drei Eigenschaften, wenn eine fehlt, fällt der Heilige-Geist-Hocker um und verliert sein Wesen.

Kräftig, liebevoll und besonnen – in diesem Sinne, auf diese Weise ein Zeugnis von einem umwerfend weltverändernden Jesus zu geben, das wird gut gehen. Nur Mut.

Der zweite wichtige Satz der Lesung wird gesprochen von zwei unbekannten Lichtgestalten. Die sagen zu den Jüngern: Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor!

Liebe Gemeinde, es KANN ja mal ganz gut sein, gedankenverloren in den Himmel zu starren, aber das wird nicht reichen. Hier auf der Erde spielt sich das Leben ab. Zu lange dem hinterher zu hängen, was war, das verstellt dir den Blick in die Richtung, was auf dich wartet, was zu tun ist. Was das heißt, zitiere ich aus einem modernen Kirchenlied, das genau mit der Frage beginnt: Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?

Er kommt von dort nicht wieder, er ist der Weg, den ihr selber gehen müsst.

Er greift nicht nach den Sternen. Er greift nach euch, die ihr miteinander geht.

Er ist kein Held zum Anschaun. Er ist die Kraft, die ihr den Geschwächten bringt.

Er ist kein Held zum Anschaun. Er ist die Kraft, die ihr für die Schwachen seid!

Zurück zu Juri Gagarin, der war zwar geprägt vom Sozialismus der Sowjetunion, aber russisch-orthodox getauft und hat sich als gläubiger Mensch bezeichnet. Wie er geschwärmt hat von den Blicken auf die Erde, welche Worte, welche lyrischen Umschreibungen er benutzt hat: „zart blauer Film“ sagte er und er prägte damit den Begriff des „Blauen Planeten“, pechschwarzer Himmel und eine Sonne, die dutzendmal heller scheint als auf der Erde. Das klingt fast schon nach dem Psalm 104, der Psalm, der die Schöpfung besingt. Ich habe meinen Frieden mit Juri Gagarin gemacht. Uns allen wünsche ich eine heilige Unruhe: dass wir den Blick lösen von dem was uns am Alten hält und uns unbeweglich sein lässt. Ich wünsche uns den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, damit wir uns aus der Welt, um Jesu Willen, nicht raushalten. Amen.

Elisabeth Meyer


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