15.09.2024

Haben Sie es selber schon einmal bemerkt? In regelmäßigen Abständen wird uns das heutige Evangelium zu Gehör gebracht und damit die Nachfrage nach dem, wer Jesus für uns sei. So als ob sich die einmal von uns gegebene Antwort stets verändern würde und immer wieder neu von uns bedacht werden müsse.

Antworten ändern sich

Nun, ganz so abwegig ist dies wohl nicht. Ganz nach der jeweiligen Lebenssituation, in der wir uns gerade befinden, fallen die Antworten auf die Frage Jesu aus. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Die Frage ist grundsätzlicher Art. Sie stellt sich immer wieder neu und anders. Sie stellt sich jedem von uns. Sie sucht auch die Antwort in unserem Leben. Also gebe ich sie weiter, an Sie alle: Für wen halten Sie Jesus? Haben Sie Ihre eigene, ganz persönliche Antwort schon gefunden? Eine Antwort, die auch tatsächlich mit Ihrem Leben zu tun hat und mehr ist als die Antwort, die der Katechismus für uns alle bereithält?

Meine Vermutung ist die, dass es auf die Frage Jesu mindestens so viele unterschiedliche Antworten gibt, wie Menschen in dieser Kirche sind. Ist das verwunderlich? Nein. Sicherlich nicht. Sofern jeder Mensch einzig ist in seinem Denken und Fühlen, so persönlich ist auch die Antwort auf Jesu Frage, wer er für ihn sei. Der Glaube an Jesus Christus ruht nicht auf einer einmal gegebenen Antwort auf die Frage, wer er für uns sei.

Einmal gegebene Antworten können durchaus erschüttert werden. Also müssen sie immer wieder neu gesucht werden. Dazu fordert uns das Leben heraus. Dazu fordert uns Jesus selber heraus: „Für wen hältst du mich?“

Was ich früher als Kind von Jesus gehalten habe, das kann heute durchaus nicht mehr stimmig sein, also mit meinem Leben und den gemachten Erfahrungen übereinstimmen.

Alle Antworten auf die Frage Jesu scheinen vorläufig zu sein. Das kann verunsichern. Das eröffnet aber zugleich die Chance, Jesus in einer stets neuen Bedeutung für mich und mein augenblickliches Leben zu entdecken.

„Jesus, wer willst Du für mich sein?“

„Für wen hältst du mich?“ Wir könnten den Spieß auch einfach einmal herumdrehen und Jesus die Frage stellen: „Jesus, wer willst Du für mich sein?“

Ich glaube, dass diese Frage noch herausfordernder sein kann, als die Frage Jesu, wer er für mich sei. Jetzt geht es nämlich darum nur hinzuhören. Auf sein Wort zu hören. Seine Stimme in mir wahrzunehmen und zuzulassen.

Dabei kann es durchaus geschehen, dass seine Antwort ein ganz andere als die meinige ist. Probieren Sie es einmal. Nehmen Sie sich Zeit, suchen Sie die Stille und stellen Sie ganz bewusst Jesus die Frage: „Herr, wer willst Du im Augenblick, hier, wo ich gerade stehe, mit all dem, was mein Leben so ausmacht und bestimmt, für mich sein?“

Und dann schweigen Sie. Und dann horchen Sie. Einfach nur hin. Ohne große Worte zu machen.

Beständige Veränderung

Wie ich Christus in meinem Leben wahrnehme und als was, das ist einer ständigen Veränderung unterworfen. Über eines sind sich jedoch viele Suchende einig: Der Mann aus Nazareth lässt einen nicht los. Seine Art zu leben und mit den Menschen umzugehen. Die Freiheit, die er für sich beanspruchte und die in allem zu spüren ist, in dem was er sagte, was er tat, nicht zuletzt auch in der Weise, wie er von Gott sprach. Das ist und das bleibt berührend für viele.

Dabei kann aus dem anfänglichen Jesus als Beschützer und Helfer ein Lehrer werden, der den Menschen in seine Lebensschule hineinnimmt. Bei dem der Mensch lernen kann, was Leben, Menschsein bedeuten können und dass der Mensch in der Begegnung mit ihm erst zum wahren Menschen wird.

Die Beziehung zu Jesus ist stets eine lebendige Beziehung, die zu jeder Zeit eine neue Antwort braucht. Jesus fordert zu dieser Antwort heraus, so wie auch das Leben, so lange es dauert, eine Herausforderung für uns Menschen darstellt und stets nach neuen Antworten verlangt.

Ich darf mir die Frage von Jesus immer wieder stellen lassen, für wen ich ihn halte. Noch mehr darf ich ihm aber die Frage stellen, wer er denn für mich sein möchte. Und schon befinden wir uns in einem Gespräch mit ihm, wie mit einem guten Freund, der einfach nur einzig für mich ist.

Auch diese Antwort kann durchaus genügen: Dass er einzig für mich ist, ein Leben lang und darüber hinaus und dass er jenseits aller Antworten um mich weiß. Amen.

Thomas Diener